Geschichte – Blau Gelb Marburg

Die Inklusion von Sehbehinderten und Blinden“ gehörte von Beginn an zu den Anliegen der Skiabteilung

Schon im Vorfeld unserer 1979 gegründeten Skiabteilung war zum Einen deutlich geworden, dass Schülerinnen und Schüler des Aufbaugymnasiums der Carl-Strehl-Schule (Sonderschule für Blinde und Sehbehinderte), (blista) nach einer im Rahmen des Sportunterrichts durchgeführten Pilotstudie Skilauf auf Vereinsebene betreiben wollten. Zum Andern hatten auf Grundlage des von H.-G. Scherer im Institut für Sportwissenschaft der Philipps-Universität Marburg entwickelten Curriculums für Skilehrgänge zur Zusatzqualifikation Sport mit Sehgeschädigten / Schwerpunktfach „Blindenskilauf“ bereits etwa 30 Skisportler im Rahmen ihres Studiums die Zusatzqualifikation für den Blindenskilauf erworben. Einige dieser Übungsleiter können Skiabteilungsvorsitzender Matthias Schmidt und Scherer für ehrenamtliches Engagement bei Blau-Gelb gewinnen. Auf Vereinsebene startet im April 1980 in Kooperation mit der Philipps-Universität Marburg  und der blista die erste integrierte Skifreizeit in Sexten-Moos im Hochpustertal Südtirols. 22 jungen Sehbehinderten wird in dieser Freizeit, die gemeinsam mit 16 Normalsehenden und 10 Betreuern durchgeführt wird, auf Vereinsebene erfolgreich der Zugang zum Wintersport eröffnet. Über diese beispielgebende Pionierarbeit berichten damals landesweit die italienischen RAI-Abendnachrichten sowie die deutsche Fach- und Tagespresse. Unterstützt wird das Pilotprojekt neben der Blista vor allem mit Zuschüssen öffentlicher Stellen.

Skigebiet Wildkogel (Österreich) Januar 1984 v. links: U. Eckstein, M. Harnisch, L. Lamml, A. Bethke. 
© Eckstein
Skigebiet Wildkogel (Österreich) Januar 1984 v. links: U. Eckstein, M. Harnisch, L.Lamml, A. Bethke

 

Zu unseren mehr als 300 Mitgliedern zählen heute etwa 20 Sehbehinderte und Blinde. Von anfänglich 22 behinderten Fahrtteilnehmern jährlich hat sich die Anzahl bei etwa zwei bis sechs eingependelt. Blindenskilauf wird unter fachmännischer Anleitung unserer dafür speziell ausgebildeten Skilehrer eingeübt. Dabei ist nicht nur die Absprache von Kommandos beim Guiden (Vor- bzw. Nachfahren) mit oder ohne Sprechfunk sondern auch die Einweisung aktiver Vereinsmitglieder unabdingbare Voraussetzung. Bereits 1984 verfassen Sehbehinderte gemeinsam mit Übungsleitern ein Infoblatt “Skilaufen mit Blinden und Sehbehinderten – wie geht das?“, das interessierten Mitgliedern erste Informationen an die Hand gibt, um den inklusiven Skisport zu fördern. Entstehende Mehrkosten für die notwendige Skilehrerbetreuung werden in der Regel gemeinsam von den Behinderten, dem Verein und Dank einer Stiftung aufgefangen.

M. Schmidt, H.-G. Scherer und H. Herwig ist es zu verdanken, dass sich das Vereinsziel zur Inklusion von Sehbehinderten in den Skisport im In- und Ausland zum Vorzeigeobjekt entwickelt hat. Ganz wesentlich tragen aber vor allem auch unsere Mitglieder mit ihrem Verständnis um das soziale Miteinander dazu bei. Nicht ohne Grund entscheiden sich die Vereinsmitglieder seit Jahren auch für sehbehinderte Abteilungsleiter und mindestens ein weiteres sehbehindertes Vorstandsmitglied.

„Für vorbildliche Maßnahmen im Sport mit Blinden und Sehbehinderten“, insbesondere „für die hervorragende und vorbildliche Arbeit bei der Integration Blinder und Sehbehinderter“ verleiht der Deutsche Sportbund (DSB) am 2. Dezember 1994 der Judo- und Skiabteilung im PSV Blau-Gelb Marburg die mit einem Preisgeld von 5.000 DM verbundene Fritz-Wildung‑Plakette.

Seit Jahrzehnten verfolgen die Sportfreunde blau-Gelb Marburg in ihren Abteilungen Judo, Ski und seit mehreren Jahren auch im Blindenfußball die Inklusion sehbehinderter SportlerSehbehinderter und Blinder. Durch eine Kooperation mit der Sehgeschädigten-Sportgemeinschaft Blista Marburg e. V. kann für nationale und internationale Wettkämpfe auf Behindertensportebene gemeldet werden. Die seit 2009 geltende UN-Behindertenrechtskonvention  bringt für die Sportfreunde Blau-Gelb nichts Neues: „Wir leben sie“ seit 1979“!

Das entwickelte „Marburger Modell zum Blindenskilauf“ vertritt Landesausbilder H. Herwig (als Vereinslehrwart neben Schmidt und Scherer der treibende Motor in der Abteilung) vor der Fachwelt sowohl im Januar 1992 auf dem ersten internationalen Kongress für den Blindenskisport in St. Moritz (Schweiz) als auch bei der konstituierenden Sitzung der europäischen Kommission im April 1992 in Lugano. Damals ist die Skiabteilung in der internationalen Beratungskommission der einzige deutsche Vertreter.

In die zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen über Blindenskilauf reihen sich 2015 weitere Beiträge unserer Vereinsmitglieder ein:

In der Fachzeitschrift „horus“, Ausgabe 2, Mai 2015, schreibt Ursula Eckstein unter dem Titel „Skilauf für Blinde und Sehbehinderte – ein Inklusionssport?“ über den Inklusionsgedanken und ihren persönlichen Werdegang in der Skiabteilung.

Prof. Scherer veröffentlicht 2015 in I. Bach (Red.). Skilauf und Snow-board in Lehre und Forschung, Bd. 23. Hamburg: Czwalina. „Inklusion im Schneesport – ein Rückblick“:

Neben dem inklusiven Breitensport rückt seit 2015 auch der Leistungssport in unseren Fokus. Erstmals haben wir in der Skiabteilung eine talentierte blinde Skialpin Rennläuferin.

Text: Ursula Eckstein

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